Harmonische Pferd-Mensch-Beziehungen

was es dazu braucht

Foto: Raimund Kniffki (mit meinem Pferd Pedro) 28.10.2016
Foto: Raimund Kniffki (mit meinem Pferd Pedro) 28.10.2016

Oft stelle ich mir die Frage, was eine harmonische Pferd-Mensch-Beziehung ausmacht. Ich sehe viele Paare die auf jeweils ihre eigene Art und Weise kommunizieren. Es gibt Paarungen, wo der Mensch vorgibt was zu tun ist und es gibt Paare, wo das Pferd entscheidet was getan wird.

 

Dazwischen gibt es alle möglichen Stufen und jede einzelne kann für sich stimmig und harmonisch sein. Es kommt immer auf die individuellen Charaktere von Mensch und Pferd an.

 

Dazu kommt noch, dass ein Beobachter des jeweiligen Paares auch ein ganz individuelles Gefühl für Harmonie hat. Auch das Gefühl der Harmonie ist ein individuelles Gefühl, was durch unsere eigene Geschichte, die eigenen Erfahrungen und Konditionierungen geprägt ist.

Aber was ist es nun, was ein Zusammensein von zwei so unterschiedlichen Wesen, in dem Beobachter das Gefühl von Harmonie auslöst.

 

Mir fallen dazu mehrere Begriffe ein, die alle miteinander korrelieren.

 

Als erstes der Begriff Vertrauen.

Beide müssen einander bedingungslos Vertrauen, um einen gemeinsamen Raum zu schaffen.

In diesem Raum bewegen sich beide miteinander aus dem Gefühl, aus der Intuition heraus.

Mensch wie Pferd folgen den Impulsen des jeweils anderen. Jeder passt auf den anderen auf und nimmt kleinste Fragen und Antworten auf die jeweiligen Bewegungen wahr und setzt sie aus der eigenen Intuition heraus um.

 

Dafür ist es erforderlich das eine Bereitschaft dazu da ist sich auf den anderen einzulassen. Das „aufeinander Einlassen“ erfordert ein offenes Herz und einen Zugang zu den eigenen Gefühlen. Es erfordert außerdem die Bereitschaft den anderen zu „sehen“, wie er wirklich ist, denn nur dann kann ich aus der tatsächlich existierenden Situation heraus reagieren und mit dem Pferd tanzen.

 

Wenn nun zwei Wesen diesen Tanz miteinander tanzen müssen sie äußerst präsent sein. Dem Pferd fällt das nicht schwer, denn es ist von Natur aus im „Hier und Jetzt“.

 

Dem Menschen fällt das sehr schwer, denn unsere Gedanken kreiseln im Kopf und präsentieren uns sehr oft vor unserem inneren Auge Situationen die unsere Ängste, Sorgen, Zweifel und Unsicherheiten schüren. Gelingt es uns wirklich präsent und in unserer eigenen Intuition zu sein, haben wir gute Voraussetzungen geschaffen, um einen partnerschaftlichen Tanz mit dem Pferd zu tanzen.

 

Was ist, wenn es aber nicht gelingt?

Nun, dann ist das eine Chance für uns Menschen uns anzusehen, welche Themen das Pferd mit seinem Verhalten triggert. Es kommen möglicherweise Themen aus der Kindheit wieder hoch.

 

Zum Beispiel: Ich bin mit dem Pferd in einem abgeschlossen Bereich alleine und möchte mit dem Pferde gemeinsam etwas tun. Ich nehme dem Pferd das Halfter ab und es wendet sich spontan ab und geht weg. Abgesehen davon, dass es damit alle meine wunderschönen Träume von einer gemeinsamen Arbeit auf dem Platz zunichte gemacht hat, kann so eine Reaktion die Gefühle des abgelehnt werden, des ignoriert werden, des nicht-geliebt werden und des Versagens hervorrufen. Da Situationen in denen wir uns als Kind so gefühlt haben, als lebensbedrohlich empfunden wurden, denn wir waren von unseren Eltern abhängig, ist das ein verdammt ungutes Gefühl. Ein Knoten sitzt im Bauch, der Hals schnürt sich zu oder der Brustkorb wird eng.

 

Wie äußert sich das bei dir?

Die Reaktionen der Menschen sind so unterschiedlich individuell wie es Menschen gibt. Aber vielen Menschen wurden insbesondere die sogenannten schlechten Gefühle verboten. Männer weinen schließlich nicht, sind hart wie Kruppstahl, schnell wie Windhunde und als Soldaten erzogen worden! Frauen sind höchst unsexy wenn sie wütend sind, müssen bis zur Selbstaufopferung für alle anderen Menschen da sein und dürfen ihre eigenen Bedürfnisse nicht wichtig nehmen. Angst darf man schon gar nicht haben. Da spielt das eigene Elternhaus, die Beziehung der Eltern untereinander und wie Gefühle gelebt oder unterdrückt wurden, eine sehr große Rolle. Denn wo lernt der Mensch was Gefühle sind, was er tun und lassen darf und wie er als Mensch „Gut“ und „Richtig“ ist?

 

Alles beginnt bei deinen Eltern!

Da meine Eltern – 1928 und 1930 geboren - und meine Großeltern jeweils Kriegsgenerationen waren, wurde in meiner Kindheit nicht gekuschelt, umarmt oder auch nur liebevoll miteinander umgegangen. Was ich gut erkenne ist Ironie und Sarkasmus, der wohl die Zuflucht meines Vaters war, um noch irgendwie seine Liebe zum Ausdruck zu bringen. Im Vordergrund standen Perfektion und Leistung. Das Gefühl von Nähe zu anderen Menschen habe ich erst lernen müssen. Damit auch verbunden zu lernen, manchmal die für mich notwendige Distanz herzustellen, wenn ich mal keine Luft mehr zum Atmen bekommen habe. Ein Prozess der viele Jahre gedauert und einiges an Erfahrungen gebraucht hat.

 

Was hat das mit Pferden zu tun?

Nun. Mit einem Pferd im RoundPen zu spielen ist ein Tanz zwischen Nähe und Distanz. Das Pferd nah an mich heranzulassen, in meinen Individualraum herein zu lassen, kann sehr bedrohlich wirken. Schließlich ist es ungewohnt jemanden der so kräftig ist, so dicht an mich heranzulassen. Es kann sein, dass ich mich dabei unwohl fühle, also schicke ich das Pferd vielleicht wieder weg und stelle die für mich erforderliche sehr individuelle „Wohlfühldistanz“ wieder her.

Harmonisch wird dieser Tanz, wenn beide in ihrem Gefühl sind, beide Wesen Verständnis und Vertrauen haben für diese Art des Tanzes. Angst hat hierbei keinen Raum, den Angst schneidet uns von unserer Intuition ab und wir reagieren nur noch aus dem Kopf, nicht mehr aus dem Herzen.

 

Mir geht schon seit einiger Zeit der Begriff „Softness“ nicht mehr aus dem Kopf. Ich denke man kann den Begriff sehr gut mit Sanftheit, Weichheit übersetzen. Mark Rashid hat diesem Begriff ein ganzes Buch geschenkt und ich gebe ihm Recht. Man kann darüber soviel schreiben wie man möchte, solange ein Mensch diese „Softness“ nicht wirklich erfahren hat, kann es der Kopf nicht verstehen – hinterher vermutlich auch nicht, aber da es das Gefühl der Softness dann gibt, kann der Kopf es nicht mehr leugnen!

 

In dem Tanz mit dem Pferd hat der Begriff Softness eine neue Bedeutung erhalten, als ich meinem kleinen Spanier erlaubt habe (entgegen allem was ich im RoundPen gelernt habe), zu mir in die Mitte zu kommen. Er lief dann sehr nah bei mir, sozusagen Schulter an Schulter und reagierte aber trotzdem oder erst Recht auf jede kleine Veränderung in meiner Körperstellung, Laufrichtung oder auch nur leisesten gedanklichen Veränderung. Plötzlich und ohne Denken veränderte ich meine Laufrichtung und er folgte an meiner Schulter. Ich stoppte und ging rückwärts und er folgte. Ich ging vorwärts auf seine Schulter zu und er ging seitwärts. Es existierte ein Gefühl der Leichtigkeit und Freude zwischen uns, was ich vorher so noch nicht erlebt hatte.

 

Es war nicht nötig ihn irgendwie zu maßregeln oder wegzuschicken, denn irgendwie fühlte er wann er nah sein durfte und kurz darauf entfernte er sich auch wieder. Auch, wenn es nur ein paar Zentimeter waren, war das in diesem Augenblick ausreichend, da ich erkannte das wir irgendwie Eins waren. Ich fühlte sein Vertrauen in mich. Ich fühlte seinen Wunsch nach Nähe. Ich fühlte seinen Spaß und seine Freude. Oder sollte ich sagen UNSEREN Spaß und UNSERE Freude?!!

 

Aber wie schafft es jeder an diese Softness in unserem Inneren heranzukommen?

 

Wir Menschen erleben einen Prozess der uns Angst gesteuert sein lässt! Wir denken, wir können oder müssen alles kontrollieren! Es wird uns beigebracht, was von uns erwartet wird, wie wir zu sein haben und was wir zu tun haben.

Was uns nicht beigebracht wird sind die wirklich wichtigen Dinge im Leben, wie zum Beispiel Vertrauen in die eigenen Gefühle und Fähigkeiten, erkennen unserer eigenen Bedürfnisse, Grenzen setzen und verteidigen und den partnerschaftlichen Tanz zwischen Nähe und Distanz. Nähe zuzulassen fällt schwer. Wir haben es nicht gelernt wirkliche Nähe zu fühlen und ins drauf einzulassen, weshalb es extrem wichtig wird den Punkt zu erkennen, wann eine Be-ziehung zu eng wird.

Auch Liebe wird sehr gerne über das definiert, was ich gebe und bekomme und wird damit zu einem Tauschhandel, einer Co-Abhängigkeit.

 

Wenn du deinem Pferd vertraust ist das der erste Schritt auf diesem Weg. Hab den Mut deinen eigenen Weg mit deinem Pferd zu gehen und es wird dich mitnehmen auf deine eigene Reise. Dein Leben wird sich verändern, wenn du bereit bist mit deinem Pferd zu tanzen! Das schöne an Pferden ist, dass wir eine sehr viel größere Bereitschaft haben uns auf Pferde einzulassen, denn wir wissen, dass sie uns nicht enttäuschen werden.

 

Wenn du bereit bist deine Ängste anzuschauen, deine Glaubenssätze zu erkennen, deine Konditionierungen zu hinterfragen und zu überprüfen, wird zwanghaftes Handeln aufhören. Dann kannst du dein Gedankenkarussell beobachten und zur Ruhe bringen. Es entsteht Stille oder Leere im Kopf. In diesem Raum bist du in der Lage die existenziellen Fragen „Wer bin ich?“, „was will ich?“ und „wo möchte ich hin?“ zu beantworten. In diesem Raum kannst du auch deine ganz eigene Art der Softness entdecken, denn dann wirst du erkennen, dass der Kampf des Lebens kein Kampf ist. Du wirst lernen dich vertrauensvoll vom Fluss des Lebens tragen zu lassen und deinen Fokus zukünftig nicht mehr auf das Drama im Leben legen, sondern auf die vielen schönen Dinge die jeden Tag passieren.

 

Und erst dann, wenn der Lärm im Kopf weg ist, kannst du die Pferde flüstern hören.

 

Mach dich auf den Weg, Deine Reise, Deinen Weg. Entdecke dich neu! Es ist nie zu spät!

 

Zum Abschluss noch mein Lieblingszitat zum Thema Harmonie in der Pferd-Mensch-Beziehung:

 

 

Zwei Geister müssen wollen, was zwei Körper können. (Bent Branderup)

 

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