Veröffentlichungen

Natural Horse Ausgabe 3/17, Crystal Verlag, Naturalhorse.de

 

Artikel: "Pferdeangst"

Pferdeangst

Raimund Kniffki aus der Sicht des Pferdes


Ich bin ein Pferd. Ich bin ein Fluchttier. Ich bin ein Beutetier für alle Raubtiere. Meine Stärke liegt in der schnellen Reaktion und der sofortigen Flucht. Mein Körper ist darauf ausgelegt, in kürzester Zeit eine hohe
Geschwindigkeit zu erreichen und diese über eine Fluchtdistanz von 400 bis 500 Meter durchzuhalten. Meine Augen können fast ringsherum kleinste Bewegungen auch in großer Entfernung sehen. Ich muss wissen,
was sich dort bewegt, denn es ist für mein Überleben wichtig.

Du, Mensch, möchtest, dass ich dir vertraue?
Du möchtest, dass ich dir folge?
Führe mich an sichere Orte. Sei du selbst ein sicherer Ort
für mich und beschütze mich. Beweise mir, dass du weißt,
was du tust, denn sonst werde ich für mich selbst Entscheidungen
treffen und meinen eigenen Weg gehen.
Beweise mir, dass du fähig und in der Lage bist, Gefahren
zu erkennen, mich durch sie hindurchzuführen und mir
beizustehen.
Mensch, hab keine Angst vor mir, denn dann sind wir zwei
mit Angst. Wenn du Angst vor mir hast und meinen Strick
festhältst, weil du mich kontrollieren möchtest, signalisierst
du mir Gefahr.
Mensch, sei nicht unsicher, denn dann sind wir zwei, die
unsicher sind. Wenn du nicht weißt, wo du hinmöchtest,
und mehr auf mich achtest als auf dein Ziel, bist du mit
deiner Aufmerksamkeit nicht präsent, sondern in deinen
Befürchtungen gefangen. Das merke ich, denn ich kann
den Menschen lesen. Ich kann Emotionen empfangen, und
was denkst du, werde ich empfangen, wenn du befürchtest,
dass ich mich aufregen könnte?
Du kannst bei mir sein, wie du bist – das ist okay. Versuch
nicht, deine Gefühle zu verstecken, denn ich sehe
durch deinen Schutzwall hindurch. Tue nichts unter einem
Zwang, denn ich sehe dein wahres Gesicht. Lege die Rollen,

die du in deinem menschlichen Sein als Schutz entwickelt
hast, ab und sei offen und ehrlich zu mir. Ich erkenne, was
dich wirklich bewegt. Tu nichts, was nicht deinem Gefühl
entspricht. Sei ehrlich zu mir, wie ich zu dir bin.
Pferde können keine Rollen spielen, denn sie haben kein
Ego. Wir Pferde haben auch unsere Vergangenheit, unsere
Erfahrungen und unsere Traumatisierungen. Aber wir leben
nicht in der Vergangenheit. Wir halten sie in unserer Erinnerung
nicht fest. Wir sind in der Lage, alte Erfahrungen
durch neue Erfahrungen zu überschreiben.
Sei geduldig mit mir und du wirst sehen, dass es kein
Pferd gibt, das es dir nicht danken wird, dass du ihm die
Zeit gegeben hast, diese neuen Erfahrungen zu machen.


Mensch – Pferd – Emotion


Alles, was ich sehe, was ich spüre, wenn du dich mir
näherst, ist dein innerer Kampf gegen deine Gefühle, deine
Angst vor Emotionen, vor Schmerz und vor Angst. Du versuchst
deine Rollen aufrechtzuerhalten. Du spielst mir
etwas vor. Das ist sicher gut gemeint, aber dieser Kampf
kostet Energie und sorgt für Spannungen im Körper. Ich
sehe diese Spannungen. Du kämpfst in deinem Inneren
und sagst mir damit: „Achtung – da ist eine Gefahr!“ Ich
suche die Gefahr – ich renne aufgeregt hin und her – ich
gucke – ich suche – ich finde sie nicht. Alles, was ich sehe,





ist dein Körper, der mit gesenkten Schultern, die
die Last deines Lebens tragen, vor mir hergeht.
Alles, was ich sehe, ist ein Mensch, der eine
oberflächliche Atmung hat, was mich sehr an ein
ängstliches Hecheln erinnert. Angst ist sehr präsent
in deinem Leben und zeigt sich mir auf den
verschiedensten Ebenen.
Dein Körper sagt mir: „Es gibt eine Gefahr!“ Ich
kann sie aber nicht sehen. Ich kann das nicht verstehen,
warum jemand so atmet, wie du atmest,
und doch keine Gefahr da ist. Ich kann nicht verstehen,
warum jemand so viel Spannung im Körper
hat und doch nicht flüchtet. Ich kann nicht
verstehen, warum jemand geistig abwesend sein
kann und trotzdem denkt, dass er auf mich aufpassen
kann. Wie kann ich dir so vertrauen?
Jemand, der gebeugt vor mir hergeht, den Blick
starr auf den Boden gerichtet! Kann er mir
Sicherheit geben, wenn der Blick den Horizont
nicht berührt? Sieht er alle die Gefahren, die
über mich herfallen könnten?
Ich gebe mir viel Mühe, dir zu folgen, aber wenn
eine tatsächliche Gefahr das Blut in mir zum
Kochen bringt und die Angst überwiegt, kann ich
nicht mehr denken und dir nicht mehr vertrauen.
Ich muss meine Entscheidungen selbst treffen!


Wenn ich mich also über etwas aufrege, was offensichtlich
gefährlich sein könnte, dann hilf mir, mich zu beruhigen,
indem wenigstens du dir sicher bist – in deinem Tun. Atme
ruhig, sei dir bewusst, dass ich gern bei dir sein möchte,
es aber nicht immer kann. So hilfst du mir, mich wieder zu
beruhigen. Wenn ich ein wenig Übung darin habe, wird es
bestimmt besser, aber dafür ist erforderlich, dass du bei
mir und da bist.


Wo bist du?

 

Im Training möchtest du gern mein Führer sein. Alles,
was ich sehe, ist ein Mensch, der mich bewegen möchte,
aber irgendwie nicht so richtig. Er steht vor mir und zeigt
mit einem Stock und wedelt mit den Armen, aber irgendwie
fühle ich, dass der Mensch das gar nicht so meint. Er
zögert und seine Gedanken sind weit weg.
Menschen sind oft so wenig fokussiert, so unklar, und sind
mit ihren Gedanken in einer anderen Welt. Ihr beschäftigt
euch mit Problemen, die ihr mit euch herumschleppt und die euch von den Gefahren, die uns im Jetzt begegnen können,
ablenken. Ich verstehe nicht, wie Menschen bei diesen
ganzen Gefahren, die hier überall lauern, überleben
können! Die meisten seht ihr nicht einmal.

 



Wie kann ich jemandem glauben, dass er mich beschützen
kann, und ihm mein Leben anvertrauen, der es nicht
ernst meint und der keine Entscheidungen treffen kann?
Jemand, der mich nur ein bisschen beschützen kann,
bringt mir keine Sicherheit und dem schließe ich mich
nicht an. Es hilft mir nicht, nur ein bisschen zu sterben.
Wenn es ernst wird, geh ich meinen eigenen Weg.

Lieber Mensch, ich brauche nicht viel – Sicherheit und
deine Führung. Ich möchte dir folgen, aber wenn ich es
nicht kann, so liegt das in meiner Natur. Nur du kannst
mich davon überzeugen, dass ich dir vertrauen kann. Gib
mir einen Handlungsrahmen, sei konsequent, sei berechenbar,
fair und respektiere mich! Dann kannst auch du
darauf bauen, dass ich dich respektieren werde. Ich weiß,
dass ich meine Grenzen manchmal testen werde. Es ist
okay für mich, wenn du darauf bestehst, dass ich diese

Grenzen einhalte, denn das gibt mir die Sicherheit, dass
du auf mich aufpassen kannst. Das kenne ich auch gut aus
meiner Herde, denn dort darf auch nicht jeder machen,
was er möchte. Es gibt auch bei uns Regeln, und genau
diese Regeln geben der Herde Halt und damit Handlungssicherheit.
Jeder hat eine Aufgabe und erfüllt diese möglichst
gut, denn sonst könnte ein Herdenmitglied sterben.
Unser Leben hängt davon ab, dass jeder seinen Job macht.

Mensch, wo bist du mit deinen Gedanken? Ich spüre,
dass du geistig abwesend bist, und das oft. Ob ich nun
im Round-Pen meine Runden drehe und du mit so einem
komischen Gerät beschäftigt bist, oder wir gehen spazieren
und du träumst vor dich hin. Auch beim Reiten sind
deine Gedanken oft an anderen Orten und in anderen Zeiten
gefangen. Ich merke, dass die mentale Bindung zwischen
uns zerbricht. Ich fühle mich allein. Hey, wo bist du?
Ich bin allein. Die Verbindung ist weg.
Ein Herdenmitglied, das den Anschluss an die Herde verloren
hat und das allein seinen Weg finden muss, ist zum
Tod verurteilt. Ohne den Schutz der Herde bin ich verloren.
Mensch, sieh doch die komischen Wesen, die uns entgegenkommen!
Ich erstarre. Ach, du meinst, das sind Menschen
… Hmmm, okay, vielleicht sind es keine Wölfe! Da
sind schon wieder komische Vierbeiner … Ich erstarre wieder.
Ach, du meinst, das sind Rehe? Hmmm … okay, ich will
dir mal glauben. Aber hey, nimm den kleinen Kasten vom
Ohr. Da kommt schon wieder etwas Großes auf uns zu, das
mich fressen möchte!!! Es ist blau und knistert gefährlich ...
Hör mir zu! Hallo ... Ich halte es nicht aus … Okay, ich bin
weg – wir sehen uns im Stall!

 

natural horse | 2017 | Ausgabe 3



Natural Horse Ausgabe 03/16, Crystal Verlag, Naturalhorse.de

 

Artikel "Dieses eine Pferd ...!"

Dieses eine Pferd ...

… das Seelenpferd!

Gedanken von Raimund Kniffki

 

Du denkst, du weißt mit Pferden Bescheid. Du denkst, du hast schon einige Pferde geritten, ausgebildet und vielleicht sogar erfolgreich auf Turnieren vorgestellt. Du denkst, dass dich nichts mehr aus der Ruhe bringt. Oder du hast einfach nur Pferdeluft geschnuppert und der Wunsch nach einem eigenen Pferd wächst. Dann erscheint plötzlich ein besonderes Pferd in deinem Leben.
Dieses eine Pferd!

Was ist das Besondere an diesem einen Pferd? Ganz einfach:
das Gefühl zum Pferd.
Es ist vielleicht dein erstes Pferd oder auch dein zwanzigstes
Pferd. Völlig egal. Plötzlich kommt ein Pferd in dein Leben,
bei dem du weißt, dass ihr füreinander da seid. Ihr habt
euch gefunden, und es kommt nicht infrage, genau dieses
Pferd wieder zu verkaufen oder weiterzugeben. Niemals!
Du weißt – und andere in deinem Umfeld meist auch –,
dass ihr dafür da seid, gemeinsam zu wachsen. Da gibt
es gar keine Diskussion. Du hast die absolute emotionale
Gewissheit, dass dieses, und zwar genau dieses Pferd zu dir
wollte, es dich ausgesucht hat. Du kannst es nicht begründen
und nicht erklären, woher du das weißt. Es ist aber so.
Oft ist es ein Pferd, das du nie haben wolltest. Du wolltest
einen Rappen und es ist ein Fuchs. Du wolltest einen Wallach
und es ist eine Stute. Du wolltest ein Warmblut und
bekommst einen Spanier.

 

 

„Ein Pferd hat niemals die falsche Farbe“
(Mark Rashid)

Du bist dir sicher, dass nicht du das Pferd, sondern das
Pferd dich ausgesucht hat. Du fühlst oder vielleicht hörst du
auch eine innere Stimme, die dir sagt: „Nimm es, es gehört
zu dir!“ Du handelst wie im Traum, kannst dich fast gar nicht
wehren, und bevor Verhandlungen mit dem Verkäufer einsetzen,
fühlst du, dass dieses Pferd zu dir kommt, egal
was du machen willst – es ist dein Pferd! Im Rahmen dieser
gefühlten Sicherheit verzichtest du vielleicht noch auf
eine Ankaufuntersuchung, obwohl du das sonst niemandem
raten würdest. Du nimmst vielleicht „kleine“ Mängel in Kauf
und schließt Kompromisse in der gewünschten Ausbildung.


Von Widerspenstigkeit bis Resonanz

 

Du nimmst also dieses Pferd mit nach Hause (in seltenen
Fällen ist es ein selbst gezüchtetes Pferd) und freust
dich wie ein Kind. Du bist glücklich, dein Pferd gefunden
zu haben, und beginnst nach einer Eingewöhnungsphase,
mit dem Pferd zu „arbeiten“, wie du das bisher immer
gemacht hast, wie es dir geraten wird und wie es üblich ist.
Am Anfang ist alles toll. Das Pferd ist entspannt und locker.
Das Reiten macht Spaß. Ihr macht Ausritte und ein wenig
Dressurarbeit im Viereck. Alles gut.



Dann fängt das Pferd plötzlich an, die Ecken gruselig zu
finden. Es fängt an, sich aufs Gebiss zu legen und steif
zu werden. Dann wird es immer schreckhafter, ist weniger
bei dir, sondern viel im Außen orientiert. Irgendwann
fängt es an zu buckeln, zu steigen und draußen ständig
umzudrehen, nicht mehr vorwärtszuwollen, und selbst
ein Sandhaufen mutiert zum Säbelzahntiger. Du erkennst,
dass du ein Problem hast. Das fühlst du aber schon sehr
viel früher, als es dir wirklich bewusst wird. Es entstehen
in dir frühzeitig Gefühle wie Hilflosigkeit, Verzweiflung,
Ohnmacht, die du aber noch nicht wahrnimmst. Du
nimmst den Kampf auf. Manchmal passiert eine Kleinigkeit,
manchmal auch ein schlimmes Ereignis. Aber es wird
einen Punkt geben, wo dir bewusst wird, dass dein System,
deine Methoden und deine Mittel, die du dir im Laufe deines
Pferdelebens angeeignet hast, nicht funktionieren.
Vielleicht willst du es dir selbst gegenüber nicht zugeben,
aber du weißt, dass es so ist. Aber du möchtest dein
Gesicht vor den anderen Einstellern nicht verlieren und um Hilfe bitten. Du weißt nicht, wer dir helfen könnte. Du
traust dich nicht, über dein Problem mit deinem Pferd zu
sprechen, denn du befürchtest, ausgelacht zu werden. Das
steigert die gefühlte Ohnmacht, und es gibt einen Punkt,
wo sie so mächtig wird, dass es dir die Brust einschnürt,
Tränen fließen und ein Kloß im Hals sitzt. Du fühlst dich
klein und wirst vielleicht auch echt sauer! Aber auf wen
eigentlich, wenn dein Pferd dein Spiegel ist?
Was sich alles an Emotionen aufgestaut hat, sollte auch
endlich rausgelassen werden. Dagegen kämpfen, klappt
nicht! Schließlich überwindest du dich und fängst an zu
überlegen, wem du dich anvertrauen könntest. Nur mal
angenommen, du würdest es jemandem erzählen wollen,
wer könnte das sein? Na ja – irgendwann spricht dich vielleicht
auch eine Freundin auf deine Probleme mit deinem
Pferd an, und mit ein wenig Glück kennt sie oder jemand
anders einen Menschen, der dir helfen kann.


Anfänglich schiebst du deinem Pferd die Schuld in die Schuhe.
Das Pferd ist schuld – die ist rossig, der hat eine Macke
und was noch alles. Aber da alles nicht funktioniert und dir
auch der neue Trainer nicht helfen kann, bist du so weit,
aufzugeben. Du räumst die Möglichkeit ein, dass es keinen
Sinn macht, das Spiegelbild zu putzen, also das Pferd zu
korrigieren, sondern dass du bei dir selbst anfangen musst.
Innerlich hast du das Gefühl zu sterben, denn wenn du
keine Lösung findest, musst du vielleicht dein „eines Pferd“
weggeben! Das kommt nicht infrage! Auf keinen Fall!
Der Wendepunkt
Manchmal ist das der Punkt, an dem sich alles ändert. Vielleicht
kommst du durch Berichte, Bücher oder Internetforen
auf einen alternativen Weg, vielleicht durch den Tipp
einer Freundin, vielleicht auch durch diesen Artikel. Du
liest Dinge, die du noch vor sechs Monaten für vollkommen
unmöglich gehalten hast. Du stehst ungläubig vor Dingen,
die da geschrieben und gelehrt werden, die du als
rationaler Mensch nicht glauben kannst, aber in deiner Hilflosigkeit fängst du an, etwas auszuprobieren. Es kostet
ja meist nicht viel, denn schiefgehen kann fast nix mehr,
und die herkömmlichen Methoden haben auch nicht geholfen.
Dir begegnen plötzlich Menschen, die genauso denken.
Du hörst Geschichten, die deine eigenen sein könnten.
Menschen, die ihrem Pferd ihr Herz geöffnet haben und die
eine völlig andere Form der Partnerschaft mit ihrem Pferd
leben. Du informierst dich und probierst es mit neuem Verhalten.
Der eine oder andere erkennt vielleicht auch tief
liegende eigene Probleme und vertraut sich einem Therapeuten
an. Andere ändern ihr Verhalten gegenüber dem
Pferd und lernen „pferdisch“ zu sprechen. Das Equipment
ändert sich, die Reitweise und die Einstellung zum Partner
Pferd insgesamt. Durch neue Techniken erlebst du dein
Pferd aus einer anderen Perspektive. Aber es ist nicht nur
die Technik. Du fühlst dich ein, du gibst deinem Pferd den
Respekt, den du dir von deinem Pferd wünschst, und forderst
ihn auch ein. Du fängst an zuzuhören und lässt oftmals
deinem Pferd die Wahl. Du stellst fest, dass sich das
Verhalten deines Pferdes verändert.


Was ist an diesem einen Pferd anders als bei den anderen
Pferden, die dir bisher begegnet sind? Resonanzen! So wie
es Menschen gibt, in deren Nähe du dich gern aufhältst,
so gibt es auch Pferde, bei denen du dich wohler fühlst
als bei anderen Pferden. Und wenn du ein Pferd triffst, mit
dem die Übereinstimmung schon von vornherein sehr groß
ist, schlägt das emotional voll rein. Wenn sich zwei gleichschwingende
Wesen treffen, hat der Verstand Pause! Dann
reden die Gefühle miteinander, und zwei Herzen erkennen,
dass sie füreinander da sind. Was passiert? Jedes
Wesen hat eine Aura um sich herum. Der Nahbereich des
Herzraums geht so bis fünf Meter Entfernung. Betritt diesen
Raum ein Wesen mit gleicher Schwingungsfrequenz,
gibt es Resonanzen. Das heißt, dass beide Herzen sich synchronisieren
und anfangen, gleich zu schwingen, wie zwei
nebeneinanderliegende Klaviersaiten! Das kann auch deinen
Deckel vom emotionalen Vulkan wegsprengen.


Bloß weg mit dem Pferd!

 

Kehren wir zu deinem Pferd zurück. Dein Kopf rebelliert
und möchte dieses unmögliche Pferd „weghaben“! Dein
Herz weiß, dass es genau das richtige ist, um auf deinen
persönlichen „Herzweg“ zu kommen. Wie geht das? Ganz
einfach. Pferde sind Fluchttiere und damit hervorragende
Emotionsleser. Wenn es mit dir in Resonanz gehen kann,
hat es eine große emotionale Ähnlichkeit und eine Verbindung,
die dir anfangs unglaublich erscheint. Genau diese
Ähnlichkeit wird aber zur Herausforderung, denn dein
Pferd beginnt nach einer Eingewöhnungsphase, dich zu
spiegeln. Das beginnt in ganz kleinen Schritten. Du möchtest
kontrollieren, und dein Pferd wird nicht kontrollierbar
und tänzelt nervös vor dir her, weil du innerlich nervös
bist. Dein Pferd guckt in der Gegend herum, weil du
nicht aufmerksam bist. Dein Pferd betritt ungefragt deinen
Raum, weil du keine Grenzen setzt. Es rempelt dich mit
seiner Schulter an, um dich aufzufordern, endlich genau
diese Grenzen zu setzen, und so weiter.


Was hat also „dieses
eine Pferd“ gemacht? Es hat dir dein Herz geöffnet und es
dir ermöglicht, dich wieder selbst wahrzunehmen. Emotionen
werden wieder wahrgenommen. Dein Körper reagiert,
als ob ein Deckel weggesprengt wurde. Dein Ego hat aufgegeben
oder ist gestorben. Die Wünsche deines Egos gleich
mit. Manchmal klammert es sich noch an Erinnerungen
und meint, dass der Mensch, der du warst, doch der Stärkere
war, und du das gern wieder sein möchtest. Das geht
aber nicht und stimmt auch nicht. Aus der Erkenntnis, dass
aus dieser neuen Sanftheit eine viel stärkere Kraft wächst,
du das Gefühl hast, vollständig zu sein, folgt der logische Schluss, dass dies dein Weg mit deinem Pferd ist.

 

Zurück zum Ich


Du nimmst dein Herz wieder wahr, du spürst deine Sensibilität
und kannst deinen Körper wieder wahrnehmen.
Du fühlst das Pulsieren des Blutes in den Adern – das Pulsieren
und Schwingen des ganzen Körpers. Du spürst das
Leben in deinem Körper. Deine eigene Körperwahrnehmung
nimmt mit ein wenig Übung weiter zu. Du findest
vielleicht irgendwann raus, dass deine Gedanken ruhig
sind, wenn du in die Körperwahrnehmung gehst, wenn du
zum Beispiel auf deinen Herzschlag oder deine Atmung
hörst. Und dann findest du raus, dass deine Gedanken
auch ruhig sind, wenn du dich in dein Pferd einfühlst. Du
beginnst also, dich selbst wahrzunehmen und auch dein
Pferd, und kannst damit auf das reagieren, was im Hier
und Jetzt wirklich ist. Deine Aufmerksamkeit im Moment
steigert sich mit deiner Achtsamkeit auf das, was mit dir,
mit deinem Pferd und mit deiner Umwelt jetzt gerade
passiert. Mit dieser Öffnung deines Vulkans lässt du alte
Emotionen raus, die du in deinem Leben in deinem Körper
gespeichert hast. Du reinigst dein Körpergedächtnis!
Sind alle Altlasten ausgeleitet, kannst du wieder lieben. Du
kommst in der Gegenwart an und weißt, wer du bist, und
handelst danach. Du wirst authentisch!
Denn das ist es, was du von diesem einen – nämlich deinem –
Pferd lernen kannst: Menschlichkeit im Hier und Jetzt!

 

natural horse | 2016 | Ausgabe 3



Interview in der Aktion Tier Vereinszeitschrift "Mensch und Tier", Ausgabe 03/16, Seite 32

 

https://www.aktiontier.org/ueber-uns/vereinsjournale/