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Pferdeabschied

Meine liebe Freundin Lena hat mir einen schönen Text geschickt, den ich euch auf dieser Seite nicht vorenthalten möchte. Ich habe ihn bereits auf Facebook veröffentlicht, aber da er zu meinen Lieblingstexten gehört, stelle ich ihn hier auch ein.

Viel Spaß beim Lesen

Euer Pedro

Pferdeabschied

Ich bin in eine Menschenwelt geboren worden. Ich habe als Fohlen viele schöne Jahre erlebt. Ich durfte mit anderen Fohlen auf der Wiese toben, spielen und einfach das Leben genießen. Ich durfte einfach Pferd sein.
Ich wurde dann von Menschen in die Arbeit eingewiesen. Erst habe ich vieles nicht verstanden, einiges konnte ich nicht und anderes wollte ich nicht, weil ich Angst davor hatte. Oft haben mich Menschen mißverstanden, denn ich war immer grundsätzlich bereit etwas miteinander zu erleben und mein bestes zu geben. So habe ich alles erlebt, was ein Pferd in einem Leben erleben kann.

Erst Menschen bei denen ich mitmachen musste. Wenn etwas nicht geklappt hat, wurde ich ziemlich hart bestraft. Mein Vertrauen in die Menschen schwand und ich zog mich innerlich zurück.
Dadurch wurde ich teilweise schreckhaft und unberechenbar für die Menschen, obwohl ich in meinem Kern immer ein sehr freundliches Pferd war. Das haben die Menschen zu diesem Zeitpunkt nur nie richtig verstanden.

Als ich damit began die Menschen von meinem Rücken zu katapulieren, weil ich wirklich sehr schreckhaft wurde, war ich für viele nicht mehr tragbar. Ich wurde verkauft, auspobiert und wieder verkauft. Ich landete bei Menschen die mich nicht mehr verkauften, aber dann einfach wegstellten. Ich war wieder auf einer großen Wiese mit anderen Pferden zusammen. Was will ich mehr?

Irgendwann wurden das Futter weniger und dann weniger Pferde. Eins nach dem anderen verschwand und letztlich wurde auch ich wieder an einen Menschen verkauft. Diesmal war es aber irgendwie anders. Ich sah diesen Menschen und fühlte mich zu ihm hingezogen. Obwohl mir nach 3 Jahren die Menschen einfach egal waren. Ich war es mittlerweile gewohnt meine eigenen Entscheidungen zu treffen, aber dieser Mensch hatte etwas, dass ich bisher bei Menschen noch nie gefühlt habe!
Ich ging zu ihm hin, als er näher kam und er nahm mich mit auf seinen Hof und stellte mich dort seinen Pferden vor. Alles coole Typen. Ich durfte mich in die Herde einleben. Ich durfte ihn kennen lernen. Wir unternahmen einiges zusammen. Wir gingen spazieren. Wir arbeiteten in einem RoundPen. Er lobte mich viel und ich wurde mir selbst und dem was ich kann viel bewusster. Es kam der Zeitpunkt, da war ich bereit von ihm geritten zu werden und er schien das genau zu fühlen. Er kam mit dem Sattelzeug, was mir erstmal unheimlich war, es war schon lange her, das das Zeug auf meinem Rücken hatte und ich hatte keine guten Erinnerungen an die engen Riemen die mich nur einengten und mich am Vorwärtslaufen hinderten. Aber auch diese Schwierigkeiten lächelte er einfach weg. Er war sehr freundlich und ich habe bis heute kein böses Wort, keine aggressiven Emotionen gespürt!

Beim Reiten verstand ich die Bilder die in seinem Kopf entstanden. Diese Bilder sind immer ein paar Sekunden vor der technischen Hilfe da, so dass ich verstehen konnte, was er von mir möchte. Es war faszinierend, denn er schien zu wissen, dass ich ihn verstehe. Bei den anderen Menschen hatte ich dieses Gefühl nie!
Dieser Mensch hat es verstanden, warum ich so schreckhaft war. Als ich began ihm zu vertrauen, musste ich gar nicht mehr erschrecken, denn wenn er bei mir war konnte mir ja nichts passieren und heute gibt es so gut wie nichts mehr, was mich aus meiner Ruhe bringt.

Mein lieber Mensch. Du hast mich gekauft als ich 8 Jahre alt war und warst bereit mit mir von vorne anzufangen. Wir haben uns gefunden, zusammen gerauft und einen langen gemeinsamen Weg hinter uns. Es gab immer wieder Rückschritte, die aber immer gut waren für unsere gemeinsame Entwicklung. Es gab immer wieder glückliche Momente des beisammen Seins! Es gab sorgenvolle Momente, wenn ich mal krank war und du nicht wusstest, ob ich noch bei dir bleiben kann. Es gab schicksalhafte Momente, als wir nach 5 Jahren Training das erste Mal auf dem Platz zu einer Einheit verschmolzen und es gab innige Momente, wo wir um unsere tiefe Verbindung wussten, weil wir es gespürt haben.
Du hast mich geleitet durch alle Gefahren und hast mir die Menschenwelt gezeigt. Du hast mir beigebracht, das die Freundschaft zu einem Menschen nicht gleich Schmerz bedeutet. Du hast mir gezeigt, wie zwei völlig unterschiedliche Wesen zu einer Einheit verschmelzen können. Du hast für mich gesorgt und dich gekümmert, wenn es mir schlecht ging.

Nun mein lieber Mensch, jetzt bin ich alt. Meine Beine tun mir weh und mein Rücken ist nicht mehr sehr kräftig. Ich schaffe es nicht mehr die alten Touren zu reiten, die uns immer soviel Spaß gemacht haben, denn dafür reicht meine Kraft nicht mehr. Ich habe die letzten Ausritte in den Sonnenuntergang mit dir sehr genossen. Die Stille um uns herum und nur wir zwei, die wir wortlos miteinender gesprochen haben. Es ist eine stumme Unterhaltung, denn wir sind uns in vielem einig und so können wir auch gemeinsam Schweigen und einfach die Stille gemeinsam genießen!

Mein lieber Mensch – Ich möchte nun auf die andere Seite gehen. Ich werde dich verlassen, doch ich bitte dich nicht traurig zu sein! Wir hatten eine großartige Zeit miteinander und haben viel voneinander gelernt!
Ich werde nun meinen Körper aufgeben, denn er ist alt und schmerzt mich sehr. Oft glaubte ich, die alten Übungen noch zu können und dann hat mir tagelang alles weh getan. Ich bin müde und möchte keine Schmerzen mehr haben. Ich möchte mich wieder bewegen können, saftiges Gras fressen und mit dir über den Platz toben. Ich möchte mich nicht mehr ärgern, dass ich das nicht mehr kann, denn ich möchte immer soviel für dich tun!

Mein lieber Mensch – fast 20 Jahre sind nun vergangen seit dem Moment auf der Weide, als wir uns das erste mal sahen. Wir beide sind älter geworden. Wir beide haben gelernt. Wir beide haben nun vieles verstanden, was uns vorher ein Rätsel war und ich danke dir für all die schönen Jahre die wir gemeinsame Abenteuer erleben durften. Danke für dein Verständnis, deine Freundschaft, deine Fürsorge, dein unerschütterliches Vertrauen und dein immer offenes Herz! Denn letztlich war nur dadurch eine so tiefe Verbindung, so tiefes Verstehen und Freundschaft zwischen zwei so unterschiedlichen Wesen möglich!

Mein Freund – ich werde immer bei dir sein, wenn du dir das wünscht. Ein einziger Gedanke reicht und ich werde da sein! Ich werde mit dir verbunden sein und vielleicht merkst du bei dem einen oder anderen Gefühl, dass ich meine Hufe mit im Spiel hatte!

Mein Freund – mein Mensch – ich sage nun lebe wohl und mache meinen letzten Atemzug. Meine Seele steigt aus meinem Körper und verweilt noch eine Weile bei dir und meinem toten Körper. Ich schaue dir in dein tränenüberströmtes Gesicht und ich möchte dich trösten und dir zurufen:
„Freu dich über die Zeit die wir hatten und trauere nicht über den Moment der Trennung, denn im Herzen werden wir immer zusammen sein!“

Ich habe endlich keine Schmerzen mehr und ich freue mich darauf meine Freunde zu sehen, die den Weg bereits vor einiger Zeit angetreten haben.

Dann löse ich mich auf, gehe auf die andere Seite und schicke dir ein letztes spürbares Lächeln ...

 

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Horse-Human-Harmonie, 06.06.2016